Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 22.09.2020 BWA/003/2020 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Nach einleitenden Worten des Ersten Bürgermeisters wurden die Antragsunterlagen vom Vertreter der Verwaltung vorgestellt.
Das Vorhaben liegt
im Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes zur 9.
Änderung des Bebauungsplanes „Hammerschmiede-, Glonner-, von-Hazzi-Straße“. Das
Bebauungsplanänderungsverfahren wird im beschleunigten Verfahren nach § 13a
BauGB durchgeführt. Im Verfahren erfolgt bislang die frühzeitige Beteiligung
nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 BauGB sowie die öffentliche Auslegung nach § 3
Abs. 2 und die Behördenbeteiligung nach § 4 Abs. 2 BauGB; die Prüfung der dabei
eingegangenen Stellungnahmen erfolgte in heutiger Sitzung (22.09.2020).
Aufgrund inhaltlicher Änderungen ist jedoch eine erneute Beteiligung notwendig
(§ 4a Abs. 3 BauGB), die auch nicht auf ein Teilgebiet beschränkt wird.
Aufgrund der notwendigen erneuten Auslegung liegen die Voraussetzungen der
formellen Planreife nach § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BauGB nicht vor. Auch ist
nicht auszuschließen, dass die Änderungen (z.B. Dachgestaltung) sich auch auf
das Vorhaben auswirken können (§ 33 Abs. 2 BauGB).
Aufgrund des
beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB sieht § 33 Abs. 3 BauGB eine weitere
Genehmigungsmöglichkeit vor Abschluss des Bebauungsplanverfahrens vor, auch
wenn die formelle Planreife noch nicht eingetreten ist. Der dort genannte
Verfahrensstand ist mit der durchgeführten Planoffenlegung erreicht. Auch die
weiteren Genehmigungsvoraussetzungen können bestätigt werden. So liegt
insbesondere die materielle Planreife vor, da mangels Stellungnahmen aus der
Öffentlichkeit bzw. der Behörden für das gegenständliche Plangebiet östlich des
Oberangers keine inhaltlichen Zweifel mehr bestehen, dass der Bebauungsplan
zumindest für diesen Bereich mit dem aktuellen Inhalt in Kraft treten wird
(materielle Teilplanreife).
Die Erschließung
ist gesichert und die schriftliche Plananerkenntnis liegt vor (§ 33 Abs. 3,
Abs. 1 Nr. 3 und 4 BauGB).
Beantragt wird die
Errichtung eines Einfamilienhauses mit – so die Antragsbezeichnung -
überdachtem Stellplatz. Das beantragte Wohngebäude entspricht dabei auch
hinsichtlich Standort, Höhenlage, Gebäudehöhe und den Gestaltungsfestsetzungen
den Festsetzungen des Bebauungsplanes. Die Solarpflicht wird beachtet (40 v.H.
der Dachfläche). Auch die absolute Grundfläche von 140 m² bzw. die unter
Berücksichtigung der Anrechnungsanlagen (§ 19 Abs. 4 BauNVO) zulässige
Summenfläche von GRZ 0,6 wird eingehalten.
Grundlegende
Abweichungen enthält es aber hinsichtlich des „überdachten Stellplatzes“ und
den sonstigen Anforderungen an den Hochwasserschutz. Dabei wurde vom Vertreter
der Verwaltung nochmals deutlich gemacht, dass nach den Festsetzungen des
bisher geltenden Bebauungsplanes aus dem Jahre 1965 das gegenständliche
Grundstück nicht bebaubar ist. Zudem liegt dieses Grundstück innerhalb eines
festgesetzten Überschwemmungsgebietes und unterliegt dem gesetzlichen
Bauverbot. Auch das Planungsrecht war in der Vergangenheit wasserrechtlich
eingeschränkt. Erst durch eine Rechtsänderung (2017) ist die Stadt Grafing b.M.
jetzt berechtigt, in einem Überschwemmungsgebiet überhaupt Bauflächen
auszuweisen. Angesichts dieser besonderen Problematik ist aber ein sehr
sorgsamer Umgang mit den Belangen des Hochwasserschutzes geboten. Alle die
Belange des Hochwasserschutzes treffenden Festsetzungen sind damit als
Planungsgrundzüge anzusehen und damit einer Abweichung nicht zugänglich (§ 31
Abs. 2 BauGB). Wenn nun also die Stadt Grafing b.M. eine Bebauung in dieser
sensiblen Lage überhaupt erwägt, dann hat sich das Vorhaben auch streng an die
daran gestellten Regeln zu richten. Das ist leider nicht der Fall.
So widerspricht das
Vorhaben diesen zentral bedeutsamen Festsetzungen mehrfach. So wird bereits die
Festsetzung des Bebauungsplanes hinsichtlich des Ausschlusses einer Garage
missachtet. Hier ist zwar in den Antragsunterlagen von einem „überdachten
Stellplatz“ die Rede, jedoch ist ein massives Garagenbauwerk geplant. Ein
überdachter Stellplatz setzt eine Überdachung mit offenen Seitenwänden voraus,
also eine auf Stützen stehende Überdachung (vgl. OVG Münster vom 25.06.2003,
BVerwG 09.10.2003). Über diese Begriffsdefinition hinaus schließt der
Bebauungsplan aber nicht voraus, dass zwingend alle Seiten geschlossen sein
müssen. Das ist aus der Festsetzung herzuleiten, dass bei einer
Seitenverkleidung ein Bodenabstand (10 cm) verlangt wird.
Ziel und Zweck der
Festsetzung ist, dass mit dieser Ausführungsart ein ungehinderter Zu- und
Ablauf des Hochwassers im Bereich der Stellplätze sichergestellt wird, also die
Bebauung innerhalb des Überschwemmungsgebietes soweit als möglich reduziert
wird.
Antragsinhalt ist
aber ein an allen Seiten durch Wände oder Tore geschlossenes Bauwerk mit 24 cm
starken Außenwänden. Damit handelt es sich keinesfalls mehr um einen überdachten
Stellplatz, sondern vielmehr um eine Garage; die „Flutöffnungen“ ändern an
dieser Bewertung nichts.
Der Bebauungsplan
setzt Flächen für Garagen und (überdachte) Stellplätze fest, womit die
Errichtung an anderer Stelle unzulässig ist (vgl. § 23 Abs. 5 BauNVO). Der
beantragte offene Stellplatz seitlich der Zufahrt ist damit unzulässig; eine
Abweichung ist aus Gründen der Minimierung der Versiegelung (und möglichen
Nutzung als Retentionsraumausgleich) nicht zu rechtfertigen.
Die Anforderungen
des Bebauungsplanes werden damit nicht erfüllt. Aufgrund der großen Bedeutung
dieser Festsetzung für den gewichtigen Belang des Hochwasserschutzes handelt es
sich bei dieser Festsetzung um Grundzüge des Bebauungsplanes, die damit eine
Befreiung schon dem Grunde nach ausschließen (§ 31 Abs. 2 BauGB). Allein ein
überdachter Stellplatz (seitlich offen) ist hinsichtlich des
Retentionsraumverlustes unbeachtlich und würde mögliche Veränderungen der
Abflussverhältnisse ausschließen.
Auch der
Garagenkeller, der zur Schaffung von Retentionsraum ausgewiesen wird,
widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplanes. Da die Festsetzungen der
überbaubaren Grundstücksflächen (Baugrenzen) auch für unterirdische Bauteile zu
beachten sind, liegt dieser Gebäudeteil vollständig außerhalb der Bauflächen
und ist ebenfalls unzulässig.
Auch hinsichtlich
der beantragten Lageverschiebung des überdachten Stellplatzes (Garage) um ca. 4
m in Richtung Osten wird der beantragten Abweichung nicht zugestimmt. Dadurch
würde eine Vergrößerung der befestigten Zufahrtsfläche (Versiegelung)
entstehen, die es aus Gründen des Bodenschutzes zu vermeiden gilt. Vielmehr
sind die nicht überbauten Flächen – wie sie östlich des Stellplatzes dann noch
bestehen - unbedingt für die Schaffung des notwendigen Retentionsraumausgleiches
erforderlich.
Die Stadt Grafing
b.M. hat die Bebauung im festgesetzten Überschwemmungsgebiet auch nur unter der
Voraussetzung zugelassen, dass alle Gebäudeöffnungen außerhalb des
Überschwemmungsbereiches liegen. Werden Kellerfenster errichtet, dann sind
diese mit geschlossenen Kellerlichtschächten auszustatten, die über die
Hochwassergrenze geführt werden. Allein die Errichtung von
Hochwasserschutzfenstern (Bauantrag) ist keinesfalls ausreichend, um den
geforderten Überschwemmungsschutz sicherzustellen. Allein die Gefährdungslage
durch nicht geschlossene Hochwasserschutzfenster und der möglichen
Ertrinkungsgefahr für Personen in Kellerräumen schließen diese Lösung aus. Auch
wird damit Vorschub geleistet, dass in Unkenntnis des satzungsrechtlichen
Verbots die Kellerräume für Aufenthaltszwecke genutzt werden. Gerne können
diese Fenster zusätzlich neben den hochwassersicheren Lichtschächten ausgeführt
werden. Auch hier ist eine Abweichung nicht möglich, da zentrale
Planungsgrundzüge verletzt sind.
Der Bebauungsplan
trifft die Festsetzung, dass die festgesetzte Grundflächenzahl (140 m²) durch
Außentreppen, Vordächer, Balkone und Terrassen um 20 v.H überschritten werden
dürfen (= max. 28 m²). Der Bauantrag sieht eine Überschreitung um 39 m² vor.
Diese Abweichung kann zugelassen werden, da der Bauantrag mit dem Hauptgebäude
wiederum um 10 m² hinter der festgesetzten GR zurückbleibt.
Die im
Freiflächengestaltungsplan dargestellte Einfriedung ist gemäß den Festsetzungen
des Bebauungsplanes (Festsetzung A 9.1) entlang der Straße als sockelloser
Holzlattenzaun auszuführen. Die Antragsunterlagen lassen nicht erkennen, ob ein
Zaunsockel errichtet wird, der aus Gründen des Hochwasserabflusses
ausgeschlossen ist. Die vorgesehenen Mauern an der Süd- und Ostgrenze sind
keinesfalls zulässig. Aufgrund der nachteiligen Auswirkungen auf die
Abflussverhältnisse bei Hochwasser ist eine Abweichung abzulehnen.
Die Baumpflanzungen
sind als Hochstamm auszuführen. Die Strauchpflanzungen sind gem. der
Pflanzliste des Bebauungsplanes zulässigen Artenauswahl auszuführen.
Dem Bauantrag liegt
auch kein (gesonderter) Antrag auf Abweichung vom Bauverbot nach § 78 Abs. 5
WHG und Nachweis über den Ausgleich des Retentionsraumes bei. Diese
wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung ist neben der Baugenehmigung gesondert
einzuholen. Bei der Form des Retentionsraumausgleiches sind jedoch die
Festsetzungen des Bebauungsplanes zu beachten, was bisher z.B. mit dem
Rückhaltebecken außerhalb des Bauraums nicht der Fall ist. Es bestehen
erhebliche Zweifel, ob anhand des vorgelegten Bauantrages diese Ersatzmaßnahmen
auf dem Grundstück überhaupt noch möglich sind. Um die Übereinstimmung mit den
Festsetzungen des Bebauungsplanes (Ortsrecht) zu prüfen, wird die Vorlage des
Antrages nach § 78 Abs. 5 WHG über die Stadt Grafing b.M. verlangt.
Dem Bau- und Werkausschuss wurde empfohlen, sein
Einvernehmen für o. g. Bauvorhaben unter folgenden Maßgaben zu erteilen:
1. Entfall der Garage (zulässig ist nur ein überdachter Stellplatz mit offenen Seitenwänden) und des weiteren offenen Stellplatzes.
2. Ein vom Bebauungsplan abweichender Standort des überdachten Stellplatzes ist nicht zulässig.
3. Kellerfenster sind nur zulässig, wenn diese hinter hochwassersicheren Lichtschächten liegen. Hochwasserschutzfenster sind als zusätzlicher Schutz möglich.
4. Verzicht auf die Mauern zur Grundstückseinfriedung und Zaunsockel (nur sockellose Zäune).
5. Vorlage des Antrages nach § 78 Abs. 5 WHG zur Ausnahme vom Bauverbot im festgesetzten Überschwemmungsgebiet über die Stadt Grafing.
In der
anschließenden ausführlichen Diskussion merkte
ein Ausschussmitglied kritisch an, dass sich die Stadt Grafing b.M. schon
wiederholt mit der Bebauung des Grundstücks befassen musste. Es ist deshalb
nicht erklärlich, warum der Bauantrag so deutlich von den ortsrechtlichen
Festsetzungen abweicht und sich nicht an die Regeln hält. Wenn hier die Stadt
Grafing b.M. das Bauen auf einem Problemgrundstück erlaubt, dann muss erwartet
werden, dass die damit verbundenen Anforderungen auch streng beachtet werden.
Aus der Mitte des
Gremiums wurde vorgebracht, dass der Baukörper sehr hoch erscheint und wuchtig
wirkt. Er fügt sich daher nicht in das bisherige Erscheinungsbild der Umgebung
ein. Der Verwaltungsvertreter erklärte, dass der Bebauungsplan eine Wandhöhe
von 6,70 m erlaubt, wobei unterer Bezugspunkt das Gelände ist. Zum Vergleich:
für die südlich-westlich liegenden Gebäude am Oberanger erlaubt der dortige
Bebauungsplan eine Wandhöhe von 6,30 m; unterer Bezugspunkt ist dort die
Kellerrohdecke, die max. 0,5 m über dem Gelände liegen darf. Damit
unterscheidet sich die Festsetzung nicht wesentlich von der Umgebung. Natürlich
entsteht ein gewisser Kontrast zu den Bestandsgebäuden, die teilweise sehr viel
niedriger sind. Aber auch hier schafft der Bebauungsplan die Möglichkeit zur
Errichtung in gleicher Höhe. Das ist zur Innenentwicklung auch durchaus
notwendig und führt zu keinen unverträglichen Entwicklungen.
Die zentrale Frage
ist vielmehr, ob es überhaupt gelingt, auf dem Grundstück eine vernünftige
Lösung des Retentionstraumausgleichs zu finden. Die Lösungssansätze mit einem
unterirdischen Rückhalteraum (hier stellt sich die Frage der umgehenden Entleerung
und ggf. auch der Reinigung von eingebrachten Schlamm etc. hinsichtlich der
Wirksamkeit) zeigen das Problem auf.
Ein Ausschussmitglied stellte die Frage in den Raum, warum der Ausschuss dem Bauantrag zustimmen sollte, wenn sich der Antragsteller nicht an die Regeln hält.
Nach Vorstellung der geplanten Baumaßnahme
und ausführlicher Beratung beschloss der Bau- und Werkausschuss gegen sieben
Stimmen, das gemeindliche Einvernehmen zum Bauantrag für den Neubau eines
Einfamilienhauses mit überdachtem Stellplatz auf dem Grundstück Fl.Nr. 514/10
der Gemarkung Grafing (Oberanger 3) nicht zu erteilen.