Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 28.07.2020 BWA/002/2020 |
Vorlage: | FB 3/048/2020 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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![]() | Beschlussvorlage öffentlich 234 KB |
Der Sitzungsleiter
erläuterte die folgende, am 20.07.2020 zur Verfügung gestellte
Beschlussvorlage.
1. Anlass:
Mit Schreiben vom
26.06.2020 stellte der Arbeitskreis Bahnlärm Grafing den Antrag für eine aktive
Gemeindepolitik zur Minderung des Bahnlärms und den Erhalt des S-Bahnverkehrs
in Grafing und um Grafing. Dabei wir die Stadt Grafing b.M. gebeten, im laufenden
Raumordnungsverfahren zum Bahnprojekt des „Brenner-Nordzulaufs; Abschnitt
Tuntenhausen –Kiefersfelden“ (südlicher Abschnitt der Bahnstrecke) eine
Stellungnahme abzugeben; ein Textvorschlag ist dem Antrag beigefügt.
2. Grundlagen:
Gemäß § 15
Raumordnungsgesetz (ROG) ist bei raumbedeutsamen Planungen die
Raumverträglichkeit in einem besonderen Verfahren von der höheren
Landesplanungsbehörde (Regierung von Oberbayern) zu prüfen (sog.
Raumordnungsverfahren). Der Neubau und die wesentliche Trassenänderung von Schienenstrecken
unterfällt gemäß § 1 Nr. 9 Raumordnungsverordnung (ROV) der
Raumordnungsverfahrenspflicht (Art. 24, 25 BayLPlG).
Mit einem
Raumordnungsverfahren werden die raumbedeutsamen Auswirkungen unter
überörtlichen Gesichtspunkten geprüft, insbesondere mit deren Übereinstimmung
mit den Erfordernissen der Raumordnung und die Abstimmung mit anderen
raumbedeutsamen Planungen. Das Raumordnungsverfahren schließt mit einer
landesplanerischen Beurteilung ab, der keine unmittelbare Rechtswirkung zukommt
und auch keine Bindungswirkung für das nachfolgende Fachplanungsverfahren (hier
eisenbahnrechtliches Planfeststellungsverfahren) entfaltet. Es ist letztendlich
eine gutachterliche Äußerung ohne Außenwirkung als Vorverfahren für das
Fachplanungsrecht.
Für die Beteiligung
im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung (Art. 25 Abs. 5 BayLplG) bestehen
keine besonderen Voraussetzungen, insbesondere wird auch keine inhaltliche oder
räumliche Betroffenheit verlangt (Jedermanns Beteiligung). Damit ist auch die
Stadt Grafing b.M., die ansonsten bei Berührung ihrer Belange als öffentliche
Stelle (Art. 25 Abs. 4 Nr. 1BayLplG) beteiligt wird, hier berechtigt zur
Teilnahme.
Da eine
rechtzeitige Befassung des zuständigen Bau- und Werkausschuss (turnusmäßige
Sitzung) innerhalb der Beteiligungsfrist (24.07.2020) nicht möglich war,
erfolgte die Stellungnahme als Dringlichkeitsentscheidung (Art. 37 Abs. 3 GO).
Dem Bau- und Werkausschuss wird die Entscheidung in der nächstfolgenden Sitzung
zur Kenntnis gegeben (At. 37 Abs. 3 Satz 2 GO).
Der Inhalt der
Stellungnahme orientierte sich sehr weitgehend am Textvorschlag des
Arbeitskreises Bahnlärm
3. Stellungnahme:
Die Stadt Grafing
b.München nimmt im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung (Art. 25 BayLplG, § 15
ROG) zum Raumordnungsverfahren „Brenner-Nordzulauf für den Abschnitt der
Gemeinde Tuntenhausen – Gemeinde Kiefersfelden (Staatsgrenze
Deutschland/Österreich)“ wie folgt Stellung:
Im
Raumordnungsverfahren (ROV) wird nur ein Teilabschnitt des Vorhabens, Nr. 7,
„ABS/NBS München – Rosenheim – Kiefersfelden – Grenze DA (-Kufstein)“ im
vordringlichen Bedarf des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSchWAG) geprüft.
Für die anderen Teilabschnitte, die „NBS
Grafing-Tuntenhausen/Großkarolinenfeld“ sowie der ABS
Trudering-Grafing-Rosenheim-Kiefersfelden“, liegen derzeit noch keine
Vorplanungen vor.
Die Auswirkungen
der im Raumordnungsverfahren geprüften NBS Tuntenhausen-Kiefersfelden sind aber
nicht auf diesen Teilabschnitt beschränkt. Einerseits soll die zweigleisige
Neubaustrecke bis nach Grafing-Bahnhof fortgeführt werden, wobei mit den fünf
vorgelegten Grobtrassen bereits eine Vorentscheidung für den Landkreis
Ebersberg geschaffen wurde. Andererseits belasten die durch die Neubaustrecke
entstehenden Kapazitätserweiterungen zwangsläufig auch die anschließenden
Streckenabschnitte und damit auch das Gemeindegebiet der Stadt Grafing. Trotz
dieser zwangsläufigen und auch raumbedeutsamen Auswirkungen und Vorwirkungen
des jetzt geprüften südlichen Streckenabschnitts auch auf das Gemeindegebiet der
Stadt Grafing b.M. finden sich in den ROV-Unterlagen dazu keine Ausführungen.
Eine substantiierte
Prüfung und Bewertung der Auswirkungen des Teilvorhabens auf das Gemeindegebiet
Grafing im ROV ist daher mangels entsprechender Unterlagen nicht möglich. Das
Beteiligungsrecht kann deshalb aufgrund der Unvollständigkeit der Unterlagen
wegen des auf den südlichen Abschnitt beschränkten Raumordnungsverfahren nicht
uneingeschränkt ausgeübt werden.
Eine
abschnittsweise Durchführung des Raumordnungsverfahrens wird aufgrund der
darüberhinausgehenden raumbedeutsamen Auswirkungen deshalb als unzureichend
angesehen. Die Stadt Grafing bittet daher die Regierung von Oberbayern, ein
gesamtheitliches Raumordnungsverfahren (Raum Kiefersfelden-Trudering)
durchzuführen.
Die Stadt Grafing
weist die Regierung von Oberbayern darauf hin, dass mit einem Bau der im
gegenständlichen Raumordnungsverfahren zu prüfenden Neubautrassen auch
Vorfestlegungen getroffen werden, die zu einer massiven Betroffenheit
raumordnerisch beachtlicher Belange auch im Raum der Anschlusstrecke bzw.
Ausbaustrecke im Bereich Grafing-Trudering führen und dort die gemeindlichen
Belange (Selbstverwaltungsrecht; Planungshoheit) der Stadt Grafing beeinträchtigen.
Aufgrund der
erklärten Betroffenheit werden folgende Belange vorgetragen, die bei der
Raumordnungsprüfung zu berücksichtigen und zu gewährleisten sind:
-
Auf den
besonderen S-Bahngleisen zwischen Grafing und Trudering darf kein Mischverkehr
entstehen, um die damit einhergehende Verschlechterung der Pünktlichkeit und
Attraktivität des S-Bahn-Verkehrs zu beeinträchtigen. Eine Mitbenutzung der
besonderen S-Bahngleise beeinträchtigt die Ziele des Regionalplanes RP 14 (vgl.
Z.2.3.2, Satz 2: Der S-Bahn-Betrieb hat überall auf eigenen Gleisen zu
erfolgen).
-
Durch
die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des S-Bahn-Netzes bei einer
Mitbenutzung der besonderen S-Bahn-Gleise wird die Aufgabenerfüllung der
Gemeinden im Verdichtungsraum München erschwert, die eine bedeutsame Funktion als Siedlungsraum erfüllen und in
denen die Siedlungsentwicklung auf Standorte mit leistungsfähigem Anschluss an
den SPNV erfolgen soll (LEP 2013, Z 2.2.8). Hier sind die Gemeinden auf starke
und leistungsfähige S-Bahnverbindung angewiesen, die nicht durch eine
Mitbenutzung der besonderen S-Bahngleise durch den Güter- / Fernverkehr
geschmälert werden darf.
-
Der
Bahnlärm übersteigt bereits auf der jetzigen Bestandsstrecke häufig die
zulässigen Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16.BImSchV)
und in vielen Bereich auch die Schwelle der Gesundheitsgefährdung. Schon bisher
sind Beurteilungspegel von über 70 dB(A) in der Nachtzeit in den Wohngebieten
ermittelt, die ein gesundes Wohnen nicht mehr möglich machen. Die Möglichkeit
der Siedlungsentwicklung – gerade aufgrund des dringlichen Wohnungsbedarfs im
Großraum München eine sehr bedeutender Belang - wird aufgrund der Lärmbelastung
weitflächig und in grundlegender Weise eingeschränkt. Derzeit sind selbst in einer
Entfernung von ca. 400 m die Orientierungswerte der in der Bauleitplanung
maßgeblichen DIN 1986 noch überschritten. Die Stadt Grafing b.M. fordert
deshalb die Durchführung von Lärmschutzmaßnahmen entsprechend den Anforderungen
der Verkehrslärmschutzverordnung für alle Streckenabschnitte, auch im Bereich
der Ausbaustrecke. Der auch in unten genannten Landtagsbeschlüssen geforderte
übergesetzliche Lärmschutz an der Bestandsstrecke ist spätestens bis zur
Inbetriebnahme von ETCS (European Train Control System) zu realisieren
-
Stimmige
Verkehrsprognosen und NKV-Berechnungen (Nutzen-Kosten-Verhältnis) für den
Zeithorizont 2050 für alle Abschnitte der nördlichen Zulaufstrecke
München-Rosenheim-Kiefersfelden sind von der DB Netz AG vorzulegen, ebenso eine
entsprechende Planung für die Gesamtstrecke. Denn die Fertigstellung der NBS
Grafing-Kiefersfelden ist erst etwa zum Jahr 2040 vorgesehen und alle
bisherigen Bundesverkehrswegeplan-Prognosen reichen nur bis zum Jahr 2030.
Erläuterung:
Das RVO umfasst als
Gegenstand einen Teilabschnitt der nördlichen Zulaufstrecke zum
Benner-Basistunnel mit dem Bau zweier zusätzlicher Neubaugleise im Landkreis
Rosenheim zwischen der Gemeinde Tuntenhausen und der Gemeinde Kiefersfelden.
Die von der DB Netz AG vorgelegten fünf Grobtrassenvarianten werden darin auf
Ihre Raumverträglichkeit geprüft.
Geleichzeitig wird
im Informationsschreiben der Regierung von Oberbayern deutlich gemacht, dass es
sich bei diesem Projekt um die gesamte, im vordringlichen Bedarf des
Bundesschienenwegeausbaugesetzes genannte „ABS/NBS München-Kiefersfelden-Grenze
D/A (-Kufstein)“ handelt. Es besagt weiter, dass ein ROV von „überörtlicher
Raumbedeutsamkeit“ und dazu nötig sei, „unter Beteiligung der Öffentlichkeit,
betroffener Kommunen“ etc. als „helfende Planung der frühzeitigen Vermeidung
von Konflikten und Fehlplanungen“ zu dienen. Daher ist es Aufgabe aller
betroffenen Gemeinden entlang der gesamten Stecke, Stellung zu beziehen.
Nach der Eröffnung
des Brennerbasistunnels wird bis 2050 zwischen Rosenheim und Kufstein eine
Zunahme von bis zu 359 Zügen pro Tag erwartet, im Vergleich zu derzeit 199
Zügen pro Tag.
Überträgt man diese
Zunahme des Verkehrs auf den Bereich Grafing-Trudering, so ist dort von einem
Anstieg des Verkehrs von derzeit 499 Zügen auf 858 Züge auszugehen,
unberücksichtigt bleibt dabei ein weiterer zu erwartender Anstieg des
S-Bahnverkehrs wie der Streckenausbau und der Elektrifizierung nach Wasserburg.
Daher ist nicht nachzuvollziehen, dass dieser Verkehrsanstieg im Raum Rosenheim
durch den Bau von zwei weiteren Hochgeschwindigkeits-Gleisen bewältigt werden
muss, während im Raum Grafing-Trudering ein bereits heute mehr als doppelt so
hohes Verkehrsaufkommen angeblich auf den zwei bestehenden Gleisen
gewährleistet werden kann. Es ist vielmehr zu erwarten, dass durch und
besonders dort ein weiteres Gleispaar nötig wäre.
Die Planung dafür
müsste aber auch in „unserem“ Abschnitt bereits jetzt beginnen, sofern die DB
Netz AG zwischen Grafing-Trudering nicht die besonderen S-Bahngleise auch für
Personenfernverkehr und Güterzüge nutzen will. Ein funktionierender
S-Bahn-Betrieb wäre bei einer solch hohen Auslastung nicht mehr möglich.
Der
Brennerbasistunnel wird erst 2030 oder später fertig, der Bau der NBS
Grafing-Kiefersfelden soll erst um das Jahr 2040 fertiggestellt sein. Für das
Jahr 2050 werden in der sogenannten Trimode-Studie im Auftrag des
Bundesverkehrsministeriums für den deutschen Teil des Brennerzulaufes Zugmengen
abgeschätzt, die mit den 1+2 Gleispaaren zwischen Grafing und Trudering
unmöglich bewältigt werden könnten, zumal die beiden vorhandenen S-Bahn-Gleise
nach den Aussagen der damaligen rechtlichen Vertreter des BMVI aus dem Jahr
1994 ausschließlich S-Bahnen vorbehalten sind.
Der Bayerische
Landtag hat zwei Anträge zum Lärmschutz an der Bestandsstrecke jeweils
einstimmig beschlossen:
Antrag CSU/Freie
Wähler, vom 20.11.2019
Bahnlärm wirksam und nachhaltig verringern –
Anwohner an Bahnstecken in Bayern entlasten:
„Der Landtag begrüßt
alle Maßnahmen, um die Lärmbelastung für die Anwohner der Brenner-Zulaufstrecke
zu verringern. Dabei müssen in den Ausbauabschnitten die gleichen
Lärmschutzvorschriften wie für Neubaustrecken zur Anwendung kommen. Der Schutz
entlang der Bestandstrasse muss bereits lange vor dem Bau der Neubaustrecke
verbessert werden. Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich gegenüber dem
Bund hierfür einzusetzen.“
Antrag der SPD vom
23.05.2019
Bessere Lärmschutzmaßnahmen für
Bestandsbahnstrecken in Bayern:
„Der in Bayern
bestehende Lärmschutz entlang der Bahnstrecke für den Güterverkehr ist in den
meisten Fällen gerade in (dicht) besiedelten Gebieten und Ballungsräumen nicht
ausreichend trotz bereits hoher Zugzahlen pro Tag. Um die Anwohner entlang
dieser Trassen ausreichend vor dem zusätzlich entstehenden Lärm zu schützen,
ist es dringend notwendig, auch die Bestandsbahnstecken anlog zu den Maßnahmen
für Lärmschutz von Neubaustecken auszustatten“.
Bereits geplante
Maßnahmen auf den Bestandsbahnstrecken, wie der Einbau von
Schienenstegdämpfern, Belag-Änderungen oder ähnliches, führen nicht zu dem
gewünschten Effekt. Der Lärm übersteigt häufig die zulässige Dezibel-Belastung
der gesetzlichen Vorgaben auf Bundesebene.
Anhand der
bestehenden Lärmbelastung sowie der prognostizierten Zugzahlen ist nicht
ersichtlich, warum Bestandsstecken geringere Lärmschutzmaßnahmen erhalten
sollen als Neubaustrecken. Die Anwohner entlang dieser besonders belastenden
Bahnstrecken in Bayern müssen dringend ausreichend geschützt werden und
benötigen einen umfassenden Lärmschutz. Nicht erst mit Inbetriebnahme des
Brenner-Basis-Tunnels, sondern bereits vor der Fertigstellung.
Ziel soll eine
erneute Prüfung von Lärm- und Umweltschutzmaßnahmen sein. Von dieser Regelung
sollen auch die Bewohnerinnen und Bewohner entlang der Zulaufstrecke des
Brenner-Basis-Tunnels zwischen Grafing Bahnhof und München profitieren.“
In der
anschließenden kurzen Beratung gab
der Sitzungsleiter zunächst bekannt, dass morgen um 19 Uhr im Kastenwirt der
Arbeitskreis Bahnlärm tagt. Er lud die in der Stadthalle anwesenden Zuhörer ein
zu kommen. Die Grafinger Bürger sollten sich beteiligen, da sie betroffen sind.
Ein
Ausschussmitglied dankte dem Ersten Bürgermeister und der Verwaltung für die
Aufnahme des Antrages. Der Bau des Brenner-Nordzulaufs habe mehrere negative
Auswirkungen, so werde unter anderem die Verkehrsbelastung steigen. Die
Grafinger wollen daher daran beteiligt werden.
Nach Sachvortrag und
kurzer Beratung nahm der Bau- und Werkausschuss einstimmig die im Rahmen einer
Dringlichkeitsentscheidung (Art. 37 Abs. 3 GO) ergangene Stellungnahme der
Stadt Grafing b.M. vom 13.07.2020 im Raumordnungsverfahren für das Bahnprojekt des
„Brenner-Nordzulaufs; Abschnitt Tuntenhausen –Kiefersfelden“ (südlicher
Abschnitt der Bahnstrecke) zur Kenntnis und bestätigte diese inhaltlich.