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Sitzung: | 23.07.2019 BWUA/057/2019 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Der Bauantrag wurde vom Vertreter der Verwaltung vorgestellt und erläutert.
Beantragt werden die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 6 Wohneinheiten und die Errichtung von 6 Garagen.
Das Vorhaben liegt im unbeplanten Innenbereich und beurteilt sich nach § 34 BauGB. Die Umgebungsbebauung entspricht hinsichtlich ihrer Eigenart einem reinen Wohngebiet; die beantragte Wohnbebauung ist dort gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig.
Vorgesehen ist die Errichtung eines Gebäudes mit den Grundmaßen von 12 m x 16 m bei einer Wandhöhe von 6,30 Meter und einer Firsthöhe von 9,20 Meter. Diese Firsthöhe wird durch die Anhebung des Geländes im Bereich der Giebelseiten erreicht. Zusätzlich sollen noch 6 Garagen mit Stauraumstellplätzen errichtet werden, davon 5 Garagen an der Lehrer-Reiter-Straße, an der Südseite des Grundstücks.
Der Bebauungsrahmen der umliegenden Gebäude weist entsprechende Bauhöhen auf. So beträgt die Wandhöhe des östlichen Nachbarhauses ebenfalls 6,30 Meter und die Firsthöhe 9,20 Meter. Bereits bei der dortigen Bebauung (Fl.Nr. 385/6) musste das ursprünglich höher beantragte Gebäude auf diese Obergrenze des Einfügungsrahmens reduziert werden.
Auch für das gegenständliche Gebäude ist dieser Einfügungsrahmen hinsichtlich der Bauhöhe einzuhalten. Ein ursprünglich mit deutlich größeren Bauhöhen geplantes Vorhaben wurde bereits im Vorfeld als unzulässig erkannt; die Planung wurde auf den jetzt beantragten Umfang reduziert. Der Ausnahmefall, dass sich das Vorhaben trotz Überschreitung des Einfügungsrahmens noch einfügen würde, liegt nicht vor. Das Vorhaben und dessen Vorbildwirkung würden zu städtebaulichen Spannungen führen und die Bebauung nachhaltig in Unordnung bringen. Auch eine Abweichung (§ 34 Abs. 3a BauGB) hinsichtlich der Bauhöhe schließt sich aus, und zwar wegen der fehlenden Einzelfallsituation und auch wegen der fehlenden städtebaulichen Vertretbarkeit. So liegt das Vorhaben inmitten einer ansonsten hinsichtlich der Höhenentwicklung harmonischen Umgebungsbebauung, die überwiegend durch deutlich niedrigere Bauhöhen geprägt ist. Bereits die beantragte Bauhöhe, für die nur wenige Vorbilder vorhanden sind, erreicht die Grenze der städtebaulichen Vertretbarkeit.
Die Erker und Quergiebel sind hinsichtlich der Wandhöhe unbeachtlich, da sie als untergeordnete Wandteile zu beurteilen sind.
Das beantragte Gebäude überschreitet aber mit seiner Grundfläche von 210,42 m² (Hauptgebäude ohne Garagen) den Einfügungsrahmen. In der näheren Umgebung (Geviertbetrachtung und gegenüberliegende Bebauung) sind nur Gebäude mit einer Grundfläche von max. 180 m² vorhanden. Erst in der entfernten Umgebungsbebauung sind mit dem Gebäude Hesselfurter Straße 18/20 mit 210 m² und dem Gebäude Hesselfurter Straße 1 mit 217 m² auch Gebäude mit ähnlicher Grundflächengröße vorhanden.
Selbst wenn man dem Gebäude Hesselfurter Straße 18/20 trotz seines Abstands zum Baugrundstück noch prägende Wirkung beimisst, würde das Vorhaben dem Einfügungsgebot widersprechen. So verlangt das Einfügungsgebot eine Übereinstimmung mit einem baulichen Vorbild hinsichtlich aller für das Maß der baulichen Nutzung maßgeblichen Zulässigkeitsfaktoren. Es muss also ein gleichartiges Gebäude schon vorhanden sein (BVerwG 08.12.2016). Das Haus Hesselfurter Straße 18/20 weist aber nur eine Wandhöhe von 5,60 m auf und stimmt damit nur hinsichtlich der Grundfläche, nicht aber den übrigen Maßfaktoren mit dem Bauvorhaben überein. Das Vorhaben fügt sich damit hinsichtlich seiner Grundflächengröße nicht mehr ein.
Auch hinsichtlich des Verhältnisses der überbauten Flächen (Gebäudeflächen) zu den verbleibenden Freiflächen ist zu erkennen, dass der in der Umgebung noch sehr ausgeprägte Freiflächenanteil nicht erreicht wird. Hier ist es vor allem die – durch die Wohnungszahl bedingte – Anzahl der Stellplätze, die zu einer im Verhältnis zur Umgebung erhöhten Bebauungsdichte führt und den Einfügungsrahmen überschreitet.
Abweichung (§ 34 Abs.
3a BauGB):
Da die Bebauung der Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Wohngebäudes dient, kann im vorliegenden Einzelfall vom Erfordernis des Einfügens unter den in § 34 Abs. 3a BauGB genannten Voraussetzungen abgewichen werden.
Die beantragte Bebauung ist in Abweichung vom Einfügungsgebot hinsichtlich der absoluten Grundfläche noch städtebaulich vertretbar und mit den privaten Interessen und sonstigen öffentlichen Belangen vereinbar. Die Abweichung betrifft die Vorhabenzulassung nur in einzelnen und solchen Maßbestimmungsfaktoren, die (anders verhält es sich bei der Bauhöhe) keine städtebauliche Umstrukturierung zur Folge hat. Auch wenn vergleichbare Fallgestaltungen in der näheren Umgebung wiederholt auftreten können, ist damit das notwendige Einzelfallerfordernis noch begründbar und der mit dieser Regelung verbundene Ausschluss einer Umstrukturierung nicht zu befürchten.
Hinsichtlich des Verhältnisses der verbleibenden Freiflächen ist die Abweichung deshalb vertretbar, weil das Dach der Garagen als extensive Dachbegrünung ausgeführt wird und damit in seiner äußeren Wahrnehmung die Bebauungsdichte kompensiert.
Grundstückszufahrt:
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit – auch die Erschließung – erfasst zwar die straßenrechtliche Gestattung der Grundstückszufahrten bzw. Stellplätze nicht. Die unbeanstandete Zulassung von Zufahrten im Baugenehmigungsverfahren verschafft aber ein geschütztes Vertrauen des Bauherrn (BayVGH 01.12.2009). Aus diesem Grunde bedarf die Zufahrtssituation einer näheren Betrachtung.
Im Bauantrag ist die Anlegung umfangreicher Zufahrtsbereiche für Stellplätze vorgesehen. Sowohl der reguläre Anliegergebrauch (Art. 14 BayStrWG), als auch der gesteigerte Anliegergebrauch (Art. 17 BayStrWG) begründen nur den Anspruch auf die grundsätzliche Erreichbarkeit des Grundstücks, aber nicht in beliebiger Breite, Art, Anzahl und Stelle. Straßenanlieger haben also kein uneingeschränktes Bestimmungsrecht hinsichtlich der Anlegung von Grundstückszufahrten. Zur Reglementierung können die Grundstückszufahrten gem. Art. 17 Abs. 5 BayStrWG im Einzelfall begrenzt werden.
Generelle Regelungen zum Schutz des öffentlichen Straßenraums vor einer unangemessenen Inanspruchnahme durch Stellplätze bzw. deren Zufahrten trifft auch die gemeindliche Stellplatzsatzung. Nach § 4 Abs. 6 ist für mehr als 4 (zusammenhängende) Stellplätze eine gemeinsame Zufahrt zu schaffen.
Geplant ist hier die Errichtung von 5 Garagen mit vorgelagerten Stauraum-Stellplätzen an der Südgrenze. Zusätzlich ist eine weitere Grundstückszufahrt entlang der Westgrenze (Nettelkofener Straße) vorgesehen. In diesem Umfang kann eine Abweichung von der Stellplatzsatzung zugelassen werden, da die Sicherheit und Leichtigkeit des (fließenden und ruhenden Verkehrs aufgrund der örtlichen Verhältnisse im Bereich der Lehrer-Reiter-Straße dadurch nicht beeinträchtigt wird. So handelt es sich auch um ein Eckgrundstück, das über einen überlangen Anschluss an öffentliche Straßen verfügt (Atypik). So wäre eine Lösung mit aufgeteilten Stellplätzen zur Nettelkofener Straße und Lehrer-Reiter-Straße zulässig, jedoch dann mit nachteiligeren Folgen für die Verkehrssituation in der Nettelkofener Straße (Haupterschließungsstraße). Die notwendige Abweichung wird aber unter der Einschränkung erteilt, dass im Gegenzug die Zufahrt zur Nettelkofener Straße eine Breite von max. 5 m nicht überschreiten darf.
Stellplätze:
Für die geplanten 6 Wohneinheiten unter 100 m² Wohnfläche sind jeweils 1,5 Stellplätze notwendig. Somit insgesamt 9 Stellplätze.
Beantragt werden 12 Stellplätze – 6 Garagen und 6 Stauraumstellplätze.
Gem. § 3 Abs. 7 der Stellplatzsatzung werden Stauraumstellplätze bei Mehrfamilienhäusern mit mehr als 3 Wohneinheiten nicht anerkannt. Hiervon kann aber befreit werden, da hier je Wohnung eine Garage mit dazugehörigem Stauraumstellplatz errichtet werden. Damit werden - über das notwendige Maß hinaus - für jede Wohnung 2 Stellplätze geschaffen, die dann eine unmittelbare Zurechnung des Besucherstellplatzes (Stauraumstellplatz) ermöglichen.
Für die entstehenden 433,94 m² Wohnfläche sind 10,85, gerundet 11 Fahrradstellplätze nachzuweisen.
In der
anschließenden Diskussion befand ein
Ausschussmitglied das Gebäude an der vorgesehenen Stelle und der beantragten
Größe als zu wuchtig. Auch wenn in der Nachbarschaft bereits Gebäude mit
gleicher Bauhöhe vorhanden sind, wirke das Vorhaben mit seiner erhöhten Lage
damit unverhältnismäßig groß. Diese Wahrnehmung wird durch die Garagen
verschärft, die aufgrund ihrer Höhenlage einer „Kellergarage“ gleichkommen und
somit hinsichtlich der Höhe nach außen wirksam werden.
Der
Verwaltungsvertreter pflichtete bei, dass ein im Verhältnis zur Umgebung großer
Baukörper entsteht. Das Vorhaben fügt sich auch aus diesem Grunde – wie
ausgeführt wurde – nicht mehr ein und kann nur über eine Abweichung zugelassen
werden. Dabei ist es aber nicht die kritisch beschriebene Bauhöhe, die hier den
Rahmen verlässt, sondern die Grundfläche.
Die durch die
Höhenlage und die Bauhöhe entstehende Wirkung ist zweifelsohne städtebaulich
unbefriedigend; sie entspricht aber noch dem Einfügungsgebot. Das gemeindliche
Einvernehmen ist aber kein Instrument, um eine städtebaulich unbefriedigende
Bebauungsentwicklung zu korrigieren. Hier bliebe allein die Möglichkeit, im
Rahmen des Abweichungsermessens (wegen der Gebäudegrundfläche) die
städtebauliche Vertretbarkeit anders zu bewerten oder aber mittels
Bebauungsplanaufstellung und Veränderungssperre andere städtebauliche
Zielvorstellungen durchzusetzen. Angesichts des hohen Gewichts der
Innenentwicklung in der Bauleitplanung wird einer Überplanung zur Beibehaltung
einer kleinteiligen Bebauung nur bedingt gelingen.
Der
Verwaltungsvertreter wies noch ergänzend darauf hin, dass in der letzten
Sitzung des Bau-, Werk- und Umweltausschusses von einer Behandlung des
Bauantrages noch abgesehen wurde, da das dort beantragte Vorhaben noch größere
Bauhöhen zum Inhalt hatte. Das Vorhaben wurde dann in seiner Höhe und auch der
Gebäudebreite reduziert auf das jetzt beantragte Vorhaben.
Nach Vorstellung der geplanten Baumaßnahme
beschloss der Bau-, Werk- und Umweltausschuss einstimmig, dem Bauantrag zum
Abbruch des bestehenden Einfamilienhauses mit Garage für die Neuerrichtung
eines Mehrfamilienhauses mit Garage auf dem Grundstück Fl.Nr. 385/17 der
Gemarkung Grafing (Lehrer-Reiter-Straße 1), das gemeindliche Einvernehmen unter
folgender Maßgabe zu erteilen:
Die Zufahrt an der
Grundstückswestseite (Nettelkofener Straße) darf eine Breite von 5 m nicht
überschreiten.
Anwesend 11
Das Ausschussmitglied
Frau Regina Offenwanger ist erschienen.