Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 29.06.2017 BWUA/033/2017 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Der Bauantrag wurde
vom Verwaltungsvertreter vorgestellt. Es wurde erklärt, dass der jetzt zur
Bebauung beantragte nördliche Grundstücksteil (Dreiecksfläche) im
bauplanungsrechtlichen Innenbereich (§ 34 BauGB) liegt. Maßgeblich für die
Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich ist das Bestehen eines
Bebauungszusammenhanges. Soweit in einem Ortsteil die tatsächlich
aufeinanderfolgende Bebauung für ein Grundstück den Eindruck der
Zusammengehörigkeit und der Geschlossenheit vermittelt, nimmt es am Bebauungszusammenhang
teil und hat damit einen gesetzlichen Bebauungsanspruch.
Grundlage für die
Bereichsabgrenzung sind die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten der vorhandenen
Bebauung. Der Bebauungszusammenhang endet – unabhängig vom Verlauf der
Grundstücksgrenzen – regelmäßig am letzten mit den übrigen Häusern im
Zusammenhang stehenden Bauwerk. In Ausnahmefällen kann sich der
Bebauungszusammenhang über die vorhandene Bebauung hinaus erstrecken, wenn er
durch topographische Besonderheiten abgegrenzt wird.
Unter den hier
maßgeblichen Begriff der Bebauung fallen aber nicht alle beliebigen
baulichen Anlagen (§ 29 BauGB), sondern nur solche Bauwerke, die dem ständigen
Aufenthalt von Menschen dienen. Für das Grundstück Fl.Nr. 714 kommt eine
Zugehörigkeit zum Innenbereich nur für den nördlichen Grundstücksteil in Frage,
und zwar auch nur dann, wenn die Aussegnungshalle auf dem benachbarten Friedhof
(Fl.Nr. 707) diese Wirkung als „maßstabsbildendes Bauwerk“ erfüllt. Für
sonstige (nicht dem dauernden Aufenthalt dienende) Bauwerke ist eine
individuelle Betrachtung nach Art, Gewicht, Größe und Gestalt des Gebäudes
anzustellen. Es kommt darauf an, ob das Bauwerk eine optische/städtebauliche
Zusammengehörigkeit vermittelt (vgl. BVerwG vom 11.07.2002). Diese Bedeutung
erfüllt die Aussegnungshalle nach übereinstimmender Meinung der Stadt Grafing
und des Landratsamtes Ebersberg (Schreiben vom 28.07.2015) in der vorgefundenen
Bebauungssituation.
Darauf, dass die
Fläche aufgrund ihres Baumbestandes
und der auffälligen Topographie (Geländeeinschnitt)
nach ihren sonstigen Eindrücken nicht mehr dem Siedlungszusammenhang, sondern
der anschließenden freien Landschaft zuzurechnen ist, kommt es dann nicht mehr
an. Topographische Zäsuren können den Innenbereich erweitern, jedoch nicht
einschränken.
Die
Aussegnungshalle (südliche Gebäudeecke) auf der einen Seite und die entlang der
Schloßstraße nach Süden sich fortsetzende Wohnbebauung auf der anderen Seite
(bis zur südlichen Gebäudekante des Hauptgebäudes Schloßstraße 21) führen dazu,
dass der nördliche Teil des Grundstücks Fl.Nr. 704 noch den
bauplanungsrechtlichen Innenbereich zuzuordnen ist. Im Ergebnis ist das
beantragte Vorhaben (Haus 1) dort gemäß § 34 BauGB zulässig.
Bauleitplanung/Einfügungsgebot
Nachdem auch
südlich anschließend ein weiteres Wohnhaus geplant ist, hat die Stadt Grafing
am 20.06.2017 die Aufstellung eines Bebauungsplanes (§ 13b BauGB 2017)
beschlossen.
Neben der Schaffung
der Bebaubarkeit für das unzweifelhaft im Außenbereich gelegene Grundstück im
südlichen Anschluss (Haus 2) verfolgt der Bebauungsplan auch das Ziel, die
städtebauliche Ordnung für beide Wohnhäuser sicherzustellen. Das besondere
Relief des Bodens soll weiterhin erkennbar bleiben. Diese besondere
Geländesituation verlangt ein sensibles Vorgehen und ein an das Gelände
angepasstes Bauen. Der Höhenlage des Gebäudes und dem Umfang der notwendigen
Auffüllung kommt entscheidende Bedeutung zu, insbesondere auch in Abstimmung
der beiden neu entstehenden Häuser untereinander.
Aus diesem Grunde
hat die Stadt Grafing erklärt, dass einer Bebauung erst zugestimmt werden kann,
wenn die künftigen Bebauungsplaninhalte von der Stadt festgelegt sind und
vollständig beachtet werden. Ansonsten wäre das Planungsziel hoheitlich
durchzusetzen und ggf. mit Zurückstellung bzw. mit Veränderungssperre zu
sichern. Der entsprechende Bebauungsplanentwurf wurde dann ebenfalls am
20.06.2017 gebilligt.
Das beantragte
Vorhaben stimmt größtenteils mit dem künftigen Bebauungsplan überein.
Unklarheiten bestehen alleine noch bei der Höhenlage und bei den
Auffüllungshöhen. So bestimmt der Bebauungsplan die Höhe der OK-EG-Fußboden mit
522,73 müNN. In den Bauvorlagen wurde dieser Höhenpunkt als Nullhöhe (±0,00)
angegeben. Im Abgleich mit den angegebenen Höhen der Straße (522,71 müNN als
–0,10) und des Eingangsbereiches (522,80 müNN als –0,10) liegt die
OK-EG-Fußboden dann entweder bei ca. 522,80 müNN oder bei 522,90 müNN – also
ggf. 20 cm zu hoch.
Die im
Bebauungsplan festgesetzte Höhe der OK des EG-Fußbodens mit 522,73 müNN ist
zwingend einzuhalten! Hier sind die Planunterlagen nochmals zu korrigieren und
mit zusätzlichen Angaben über die künftige Geländeauffüllung – und zwar nicht
nur am Gebäude, sondern auch im weiteren Grundstücksverlauf – zu ergänzen. Dort
ist auch eine Bepflanzung entsprechend den künftigen Festsetzungen des
Bebauungsplanentwurfes vorzusehen.
Ungeachtet dessen
bestimmt sich die Zulässigkeit weiterhin nach § 34 BauGB, da der Planungsstand
für eine Vorgriffgenehmigung (§ 33 BauGB) noch längst nicht erreicht ist. Das
Vorhaben fügt sich aber uneingeschränkt in die Eigenart der Umgebung ein.
Allein die westliche Wandhöhe mit 8,12 m überschreitet den Einfügungsrahmen der
umliegenden Bebauung. Diese Wandhöhe ist aber bedingt durch die
außergewöhnliche Geländesituation auf dem Baugrundstück, die nach Westen hin deutlich
abfällt. Eine Überschreitung des Einfügungsrahmens führt zwar regelmäßig zur
Unzulässigkeit. Das gilt aber dann nicht, wenn das Vorhaben die
Umgebungsbebauung aufgrund von „Besonderheiten“ nicht in Unordnung bringt,
durch die sich das Baugrundstück von den Nachbargrundstücken unterscheidet.
Eine solche Besonderheit ist das nach Westen stark abfallende Gelände, das in
dieser Form nirgends in der baulichen Umgebung mehr auftritt. Aufgrund dieser
geländebedingten Besonderheiten fügt sich das Vorhaben trotz der Westwand mit
einer Höhe von über 8 m noch ein.
Sonstige Fachgesetze
Losgelöst von der
bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit (Ziffer 2) ist zu beurteilen, ob ein
Grundstück ggf. aus anderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen in seiner
Bebauung gehindert ist (z.B. Art. 4 Abs. 1 BayBO: Geeignetheit) oder/und andere
öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Vorhaben entgegenstehen oder ausgeräumt
werden müssen. So macht eine Bebauung die Beseitigung des Waldbestandes
notwendig, was aber eine Rodungserlaubnis (Art. 9 Abs. 1 BayWaldG) voraussetzt.
Hierüber wird im Baugenehmigungsverfahren entschieden (Art. 55, 59 Nr. 3 BayBO
i.V.m. Art. 9 Abs. 8 BayWaldG). Jedenfalls sind dafür Ersatzaufforstungen
notwendig. Auch der notwendige Schutz vor Baumwurfgefahren (Art. 4 BayBO) steht
in diesem Zusammenhang.
Dem Bauantrag ist
ein entsprechender Rodungsantrag beizulegen. Eine Ersatzaufforstung auf dem
Grundstück Fl.Nr. 539 der Gemarkung Öxing ist vorzunehmen.
Außerdem ist ein
ggf. notwendiger Erdaufschluss bzw. auch die Waldrodung im Hinblick auf die
Verbotstatbestände der Wasserschutzgebietsverordnung beachtlich. So liegt das
Grundstück innerhalb der weiteren Schutzzone (IIIb) des mit Verordnung vom
26.02.2013 festgesetzten Schutzgebietes für die Aiterndorfer Brunnen. Diese
Schutzzone erstreckt sich übrigens nach Norden hin bis in die Stadtmitte hinein
(Glonner Straße). Eine Rodung ist nach § 3 Nr. 1.20 der Wasserschutzgebiet-VO
verboten und damit auch im Satzungs-/Bebauungsplanverfahren beachtlich bzw.
ausnahmepflichtig (§ 4 Wasserschutzgebiet-VO). Nicht verboten ist die
Errichtung von baulichen Anlagen, da das Abwasser in die zentrale
Sammelkanalisation eingeleitet wird; Niederschlagswasser darf versickert
werden.
Das Grundstück
liegt nicht im Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung
„Atteltal/Dobelgebiet“.
Hinweise
Stellplätze
Für die Nutzungen
(2 Wohneinheiten, 1 WE über 100 m², 1 WE unter 100 m²) entsteht ein
Stellplatzbedarf von 2 und 1,50 Stellplätzen, insgesamt also 3,50 Stellplätze,
gerundet 4 Stellplätze. Diese können in den Garagen bzw. als
Stauraumstellplätze nachgewiesen werden. Die Bürofläche im Keller wird als
private Bürofläche (Arbeitszimmer) beurteilt, bei gewerblicher Nutzung entsteht
zusätzlicher Stellplatzbedarf.
Betriebsleiterwohnhaus
Aus der Mitte des
Gremiums wurde angefragt, ob die Bezeichnung des Vorhabens als
„Betriebsleiterwohnhaus“ für das Baugenehmigungsverfahren von Bedeutung ist.
Hierzu wurde erklärt, dass damit nicht etwa auf die Begründung eines
baurechtlichen Privilegierungstatbestandes des § 35 Abs. 1 BauGB abgestellt
wird. Hintergrund sind nach dem Kenntnisstand allein steuerrechtliche Aspekte.
Aufgrund der Zuordnung zum Innenbereich wäre eine Privilegierung ohnehin ohne
baurechtliche Relevanz. Hier hat sich das Vorhaben „einzufügen“ bzw. im
vorliegenden Fall noch an die künftigen Festsetzungsinhalte des zur Aufstellung
beschlossenen Bebauungsplanes zu halten. Da das Wohngebäude selbst nicht
gewerblich/betrieblich genutzt wird, sondern allein dem Wohnen dient, ist die
Bezeichnung als „Betriebsleiterwohnhaus“ auch hinsichtlich der Art der
baulichen Nutzung ohne Bedeutung.
Nach Vorstellung der geplanten Baumaßnahme
beschloss der Bau-, Werk- und Umweltausschuss einstimmig, dem Bauantrag zum
Neubau eines Betriebsleiterwohnhauses mit Garage und Einliegerwohnung auf dem
Grundstück Fl.Nr. 714/1 der Gemarkung Grafing, Schloßstraße 24, das
gemeindliche Einvernehmen unter folgenden Maßgaben zu erteilen:
·
Die Oberkante des EG-Fußbodens darf eine
Höhe von 522,73 mNN nicht überschreiten. Die Bauvorlagen – insoweit auch
widersprüchlich – sind entsprechend zu ändern.
·
Möglichst in einem
Freiflächengestaltungsplan ist der künftige Geländeverlauf mit den
Geländeauffüllungen/-abgrabungen im ganzen Grundstücksverlauf darzustellen.
·
Die Bepflanzung ist entsprechend dem
aktuellen Bebauungsplanentwurf vorzusehen. Hierfür sind insbesondere entlang
der Schloßstraße 5 Großbäume zu pflanzen (Alleecharakter).