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Sitzung: | 05.07.2016 StR/026/2016 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Die Erste Bürgermeisterin erteilt dem Vertreter der Verwaltung, Herrn Niedermaier, das Wort. Dieser erläutert die folgende zur Verfügung gestellte Beschlussvorlage:
Der Ersten Bürgermeisterin obliegt das gesetzliche Vertretungsrecht der Stadt nach außen (Art. 38 Abs. 1 GO). Das Vertretungsrecht kann aufgrund einer den Erfordernissen des Art. 38 Abs. 2 GO entsprechenden Vollmacht auch auf Gemeindebedienstete übertragen werden (Untervollmacht).
Getrennt vom Vertretungsrecht ist die Vertretungsmacht geregelt. Die Gemeinde wird durch den Stadtrat verwaltet, soweit nicht die erste Bürgermeisterin selbstständig entscheidet (Art. 29 GO). Im Rahmen dieser kommunalrechtlichen Zuständigkeitsverteilung sind der Ersten Bürgermeisterin unter anderem die Erledigung der laufenden Angelegenheiten zugewiesen (eigene Zuständigkeit; Art. 37 Abs. 1 GO).
Die detaillierte Zuständigkeitsabgrenzung erfolgt üblicherweise in der Geschäftsordnung (Art. 45 GO). Hier werden unter den individuellen Gemeindeverhältnissen die Grenzen der jeweiligen Zuständigkeitszuweisung bezeichnet und unter Beachtung der Delegationsanforderungen auch noch weitere – kraft Gesetz dem Stadtrat obliegende Zuständigkeiten – der Ersten Bürgermeisterin zusätzlich übertragen (Art. 37 Abs. 2 GO).
Sehr häufig im gemeindlichen Grundstücksverkehr ist der Erwerb von unvermessenen Teilflächen. Hier wird im schuldrechtlichen (Kauf-)Vertrag (§§ 433, 311b, 128 BGB) die Vertragsfläche lediglich textlich/zeichnerisch beschrieben (1. Vertrag). Zu einem späteren Zeitpunkt wird nach erfolgter amtlicher Vermessung dann im Hinblick auf die Bestimmtheitsanforderungen des Grundbuchrechts (§ 28 GBO) die Übereinstimmung der im katastertechnischen Fortführungsnachweis ausgewiesenen Fläche mit der im (Kauf-)Vertrag beschriebenen Teilfläche bestätigt (sog. Messungsanerkennung und gleichzeitig das sachenrechtliche Verfügungsgeschäft (Auflassung, §§ 925, 873 BGB) beurkundet (2. Vertrag).
In der Vergangenheit war es üblich, dass der Verkäufer die Stadt im schuldrechtlichen (Kauf‑)Vertrag (1. Vertrag) berechtigt hat, ihn bei der Messungsanerkennung und bei der Auflassung zu vertreten. Damit konnte das nochmalige Erscheinen des Verkäufers bei der notariellen Beurkundung vermieden werden.
Die Rechtsprechung war zuletzt mit dieser Problemstellung der Mehrfachvertretung befasst und erkannte (OLG München vom 28.08.2013) einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 181 BGB (Insichgeschäft/Selbstkontrahierungsverbot). Danach kann ein Vertreter nicht für beide Vertragspartien handeln, soweit ihm nicht anderes gestattet ist oder das Rechtsgeschäft ausschließlich in Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Eine Besonderheit besteht bei Gemeinden deshalb, weil es hier gerade hinsichtlich des Handelns aufgrund originiärer oder übertragener Zuständigkeit und dann auch wiederum hinsichtlich der Berechtigung zur Untervollmachtserteilung zu Abgrenzungs- und Auslegungsschwierigkeiten hinsichtlich der Wirksamkeit der Vollmacht kommen kann.
Der Bundegerichtshof hat mit Urteil vom 01.10.2015 jetzt die bis dahin geübte Praxis als rechtmäßig erachtet und die Messungsanerkennung und Auflassung, soweit sie von der erteilten Vollmacht erfasst ist, nicht immer als genehmigungsbedürftig angesehen. Um aber der Bedeutung rechtswirksamem Handelns bei Grundstücksgeschäften Rechnung zu tragen, empfiehlt es sich aus Gründen der Rechtssicherheit, die erste Bürgermeisterin ausdrücklich vom Selbstkontrahierungsverbot zu befreien und diese Befreiung auch für Untervollmachtsvertreter zu erklären.
Hierzu wird eine Ergänzung der Geschäftsordnung empfohlen.
Der Stadtrat
beschloss einstimmig die Änderung der Geschäftsordnung (Art. 45 GO) wie folgt:
In § 12 der
Geschäftsordnung wir folgender Absatz 6 angefügt:
„Die erste
Bürgermeisterin oder deren gesetzliche Vertreter werden beim Abschluss von
Rechtsgeschäften von den Beschränkungen des § 181 BGB
(Selbstkontrahierungsverbot) befreit. Die Berechtigung zum Abschluss von
Rechtsgeschäften nach Absatz 4 sowie die Befreiung von den Beschränkungen des §
181 BGB gilt auch für die Erteilung von Untervollmachten nach Art. 38 Abs. 2
Satz 3 GO an Gemeindebedienstete.“