Bezeichnung | Inhalt |
---|---|
Sitzung: | 19.05.2015 BWUA/011/2015 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
---|
Die Planunterlagen
wurden vom Vertreter der Verwaltung vorgestellt. Es wurde ausgeführt, dass die
Stadt Grafing b.M. (Art. 3 BayKiBiG) die Einrichtung eines sog.
Waldkindergartens (nicht gebäudegebundene Kindertageseinrichtung; Art. 2 Abs. 1
Satz 3 BayKiBiG) auf dem Grundstück Fl.Nr. 140 der Gemarkung Nettelkofen
unterstützt und hierfür als Bauherr für das Vorhaben auftritt. Der Betrieb wird
dann durch die WALD&WIR gUG erfolgen.
Ohne baurechtliche
Relevanz (§§ 29 BauGB) ist der Aufenthalt der Besucher und der Erzieher der
Kindertageseinrichtung in der freien Natur bzw. im Wald. Das Bauplanungsrecht
erfasst allein die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von baulichen
Anlagen (§ 29 Abs. 1 BauGB). Als solche ist nur die bestehende Feldscheune
maßgeblich, die nach der Betriebsbeschreibung in Teilbereichen zum
vorübergehenden Aufenthalt bei Schlechtwetter (Witterungsschutz) und als
Materiallager verwendet wird.
Für die bestehende
Feldscheune, die aufgrund der bauplanungsrechtlichen Privilegierung für
land-/forstwirtschaftliche Zwecke (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) in zulässiger Weise
im Außenbereich (ggf. genehmigungsfrei) errichtetet werden konnte, ändert sich
damit der Verwendungszweck und es entfällt der Privilegierungszweck. Diese
Nutzungsänderung ist bauplanungsrechtlich bedeutsam (§§ 29, 35 BauGB) und
unterliegt damit der Genehmigungspflicht (Art. 57 Abs. 4 BayBO).
Vom Vertreter der
Verwaltung wurde ausdrücklich erklärt, dass der Bau-, Werk- und Umweltausschuss
im Rahmen des gemeindlichen Einvernehmens (§ 36 BauGB) allein über die
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit zu entscheiden hat. Mögliche
bauordnungsrechtliche Anforderungen sind allein für die Genehmigungsprüfung der
Bauaufsichtsbehörde maßgeblich und müssen hier unberücksichtigt bleiben.
Hierauf ist lediglich im Rahmen der gemeindlichen Stellungnahme (Art. 64 BayBO)
einzugehen. Davon zu trennen ist die Stellung der Stadt als Bauherr und den
damit einhergehenden Rechtspflichten.
Zur
bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit:
Die Teilnutzung der
Feldscheune als Wetterschutz und Materiallager des Waldkindergartens stellt
kein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB dar. Insbesondere
scheidet auch eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB trotz der
notwendigen Beziehung der baulichen Anlage zur Waldnutzung aus.
Kindertageseinrichtungen sind – ungeachtet des hier vorliegenden besonderen
pädagogischen Konzeptes – nicht zwingend auf den Außenbereich angewiesen und
dort wesensfremd. Auch fehlt es daran, dass die Anlage nur einem beschränkten
Personenkreis zur Verfügung steht. Dieses Abgrenzungskriterium (BVerwG
28.07.1978) hat das BVerwG auch in der jüngeren Rechtsprechung (Beschluss vom
09.05.2012) als maßgebliches Abgrenzungskriterium herausgestellt.
Die Nutzungsänderung
ist damit als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zulässig, wenn
öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Eine nach § 35 Abs. 4 Nr. 1
BauGB begünstigte Nutzungsänderung liegt dabei schon deshalb nicht vor, da es
allein an der räumlich-funktionellen Nähe der Feldscheune zur Hofstelle fehlt.
Die Beeinträchtigung
öffentlicher Belange setzt voraus, dass diese durch das Vorhaben berührt und
dabei im Sinne einer Belastung oder Einwirkung beeinträchtigt werden. Dabei ist
eine bewertende Abwägung vorzunehmen, bei der die Gewichtigkeit der
öffentlichen Belange und deren Beeinträchtigung durch das jeweilige Vorhaben zu
beurteilen ist.
Hier ist
festzustellen, dass eine bloße Nutzung der vorhandenen Feldscheune als
Wetterschutz und als Materiallager für ca. 20 Kinder und deren Betreuer keine
bauplanungsrechtlich relevante Beeinträchtigung öffentlicher Belange entstehen
lässt. So weist der Flächennutzungsplan den Bereich als Fläche für
Wald/Landwirtschaft dar. Diese Auffangfunktion erfährt keine nach außen
erkennbare Verschlechterung. Auch eine Veränderung der natürlichen Eigenart der
Landschaft und deren Erholungswert werden dadurch nicht in einer
beeinträchtigenden Weise bewirkt. Da es an einer besonderen Bedeutung der
Fläche für den Naturschutz und der Landschaftspflege fehlt, entstehen auch hier
keine das Vorhaben ausschließenden (beachtlichen) Beeinträchtigungen.
Vor allem ist es
aber der Umstand, dass durch das Vorhaben keine negative Vorbildwirkung
ausgelöst wird, in deren Folge weitere Vorhaben hinzutreten und die Gefahr
einer Siedlungszersplitterung befürchtet wird. Das Vorhaben ist aufgrund seiner
besonderen Funktion deutlich gegenüber anderen Außenbereichsvorhaben abgrenzbar
und führt auch hier zu keiner Beeinträchtigung im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB.
Bei alledem wird
vorausgesetzt, dass die Benutzer (Kinder, Erzieher, Eltern) nicht mit
Kraftfahrzeugen an das Vorhaben heranfahren. Nach den Beschreibungen in den
Antragsunterlagen sammeln sich die Benutzer innerhalb des Ortsteils von
Nettelkofen (Fl.Nr. 181/3 der Gemarkung Nettelkofen). Dieser Sammelplatz ist
über die bestehende Ortsstraße erreichbar und bietet Platz für das vorübergehende
Abstellen von Fahrzeugen ohne Auswirkungen auf die Verkehrsabläufe bzw. die
Verkehrssicherheit sowie öffentliche Belange. Vom Sammelplatz aus wird dann das
Vorhaben (Feldscheune) zu Fuß erreicht. Abstell- und Verkehrsflächen und die
damit einhergehenden Beeinträchtigungen der Erholungswirkung durch den
wesensfremden Verkehr entstehen damit im Außenbereich nicht.
Die Benutzung
öffentlicher Feldwege stellt für ein nicht privilegiertes Außenbereichsvorhaben
keine gesicherte Erschließung dar (BayVGH 06.04.2004). In diesem Zusammenhang
ist deshalb auch klarzustellen, dass allein der fußläufige Zugang zum Vorhaben
beantragt ist und dafür der vorhandene öffentliche Feld- und Waldweg als
Erschließung geeignet und ausreichend ist. Auch sanitäre Einrichtungen oder
auch die öffentliche Versorgung mit Trinkwasser sind nicht erforderlich und
damit nicht Voraussetzung für die Erschließung.
Bauplanungsrechtlich
ist das Vorhaben damit gemäß § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Es bestehen aber
Bedenken, ob das Vorhaben auch aus sonstigen Rechtsgründen genehmigungsfähig
ist.
Sonstige
Hinweise:
Aus
bauordnungsrechtlicher Sicht erscheint die Nutzung der bestehenden Feldscheune
als Wetterschutz und damit – auch nur bei gelegentlichem Aufenthalt – nicht
geeignet (Art. 4 BayBO). So liegt die Feldscheune unmittelbar am Waldrand und
damit im Baumwurfbereich (Sturm- und Schneebruch). Da der Bestimmungszweck
gerade der Wetterschutz ist, besteht eine erhebliche Gefahr für die Betroffenen
durch umstürzende oder abbrechende Bäume und Äste bei Gewittern, Schneefall und
bei stärkerem Wind. Die Konstruktion des Gebäudes bietet keine Sicherheit für
die dort schutzsuchenden Personen. Das Fehlen einer Dachverschalung verschärft
sogar das Gefahrenpotenzial durch herabfallende oder brechende Dachziegel
zusätzlich.
Trotz der Tatsache,
dass die Kindergartengruppe mit bis zu 20 Kindern vorgesehen ist, ist das
Gebäude nicht als Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Nr. 12
(Kindertageseinrichtung) oder Nr. 20 BayBO zu bewerten. Ein Aufenthalt im Gebäude
ist nicht dauerhaft vorgesehen. Wegen des Fehlens von Gebäudeabschlüssen wie
Fenster oder ähnlichem, sowie des Fehlens jeglicher Versorgungsanlagen fehlt es
an den vom Gesetzgeber unterstellten besonderen Anforderungen für den
Brandschutz und die Rettungssituation.
Anlässlich der
Nutzungsänderung von der Maschinenhalle zum Unterstand von Menschen ist –
ungeachtet des bereits langjährigen Bestehens des Gebäudes – die
Standsicherheit sowie der Brandschutz nachzuweisen (Art. 62 Abs. 1 BayBO).
Aufgrund der Konstruktion des Gebäudes kann der Nachweis nicht erbracht werden
und die Standsicherheit ist erkennbar nicht gegeben.
Der Stellplatzbedarf
(1,5 Stellplätze/Gruppe = gerundet 2 Stellplätze) erfolgt auf dem Grundstück
Fl.Nr. 181/3 der Gemarkung Nettelkofen innerhalb des Ortes Nettelkofen. Dort
ist die Errichtung von Stellplätzen uneingeschränkt zulässig. Aufgrund der
besonderen Zweckbestimmung hält die Stadt eine dingliche Sicherung des Stellplatzes
für verzichtbar.
Innerhalb des
Gremiums traten verschiedene Fragen zu einem Waldkindergarten auf. Die Erste
Bürgermeisterin hat Frau Fögler, Betreiberin des Waldkindergartens, zur
Erläuterung des Konzeptes und der Betriebsabläufe das Rederecht erteilt. So
wurde erklärt, dass sanitäre Einrichtungen nicht erforderlich sind. Hier werden
in einfacher und natürlicher Weise (Fäkal-)Gruben errichtet. Waschwasser wird
durch mitgebrachtes Trinkwasser zur Verfügung gestellt. Es werden also auch
keine mobilen Toiletten benötigt. Allein für wenige Schlechtwetterzeiten und
als Materiallager (Wechselwäsche, Trinkwasserkanister usw.) wird eine
überdachte Fläche benötigt. Hier wäre die Feldscheune gerade wegen ihres
besonderen Zustandes und der Atmosphäre die ideale Gelegenheit.
Nach Sachvortrag
beschloss der Bau-, Werk- und Umweltausschuss einstimmig, dem Bauantrag zur
Nutzungsänderung eines Stadels auf dem Waldgrundstück Fl.Nr. 140/0 der
Gemarkung Nettelkofen zu einem Waldkindergarten, Kimpfelmoos, das gemeindliche
Einvernehmen zu erteilen.
Auf die Bedenken
hinsichtlich der fehlenden Sicherheit im Baumwurfbereich und der fehlenden
Standsicherheit der Feldscheune wird hingewiesen.