Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 23.09.2014 BWUA/003/2014 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Vom Vertreter der Verwaltung wurden die Planunterlagen vorgestellt. Mit
dem Vorbescheid wird gemäß Art. 71 BayBO die Klärung einzelner
Genehmigungsfragen für die Errichtung eines Wohnhauses mit Garage beantragt wie
folgt:
a)
Kann dem Abbruch und dem anschließenden Neubau in
der dargestellten Weise (Art und Maß der baulichen Nutzung, hangabseitig zum
Wohnen genutzte KG-Bereiche, Satteldach mit 51° Neigung, Dachgauben usw.)
zugestimmt werden
und
b)
sind unter Umständen bauleitplanerische Maßnahmen
notwendig, um die dargestellte Planung umsetzen zu können?
Hinweis:
Nachbareinwendung vom 15.09.2014 des Herrn Lehner
Das Vorhaben liegt im unbeplanten Innenbereich. Die Zulässigkeit des
Bauvorhabens beurteilt sich nach § 34 BauGB. Ein Vorhaben fügt sich ein, wenn
es innerhalb des Rahmens bleibt, den die in der näheren Umgebung vorhandene
Bebauung bestimmt. Ausnahmsweise kann sich ein Vorhaben auch dann noch
einfügen, wenn es den Einfügungsrahmen überschreitet. Das ist dann der Fall,
wenn es aufgrund städtebaulicher Besonderheiten keine beachtlichen
städtebaulichen Spannungen begründet oder erhöht. Hier sind insbesondere auch
die Folgewirkungen des Vorhabens durch seine Vorbildwirkung zu berücksichtigen.
Welche Gebäude der näheren Umgebung das Grundstück prägen, ist unter
Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall
festzustellen, und zwar gesondert für jedes Einfügungsmerkmal.
Überbaubare Grundstücksfläche:
Bei der überbaubaren Grundstücksfläche wird zur Konkretisierung der
Einfügungsmerkmale auf die Vorschrift des § 23 BauNVO zurückgegriffen. Die
planungsrechtlichen Instrumente, Baugrenze, Baulinie und Bebauungstiefe (§ 23
Abs. 1 bis 4 BauNVO), mit denen die überbaubare Grundstücksfläche im
Bebauungsplan festgesetzt werden kann, werden auch beim Einfügungsgebot zur
näheren Bestimmung dieses Zulässigkeitskriteriums herangezogen.
Hinsichtlich der Bestimmung des Einfügungsrahmens ist die „nähere
Umgebung“ maßgeblich. Maßgeblich ist dabei diejenige Bebauung, die sich auf das
Vorhaben (Baugrundstück) prägend auswirkt bzw. (wechselseitig) auf die sich das
Vorhaben selbst wiederum auswirkt. Dieser Rahmen der wechselseitigen Prägung
ist für den Einzelfall und für jedes Einfügungsmerkmal gesondert zu ermitteln,
weil die Prägung der jeweiligen maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit
reichen kann. Dabei ist beim Einfügungsmerkmal der „überbaubaren
Grundstücksfläche“ der prägende Bereich regelmäßig deutlich enger als bei
anderen Zulässigkeitsmerkmalen (vgl. BayVGH 25.04.2005, 19.12.2006). Bei der
Bebauung am Mühltal ist die prägende (nähere) Umgebung durch die auffällige
Einheitlichkeit der Bebauung vergleichsweise einfach abgrenzbar. Maßgeblich ist
hier die Bebauung der Gebäude Mühltal 6 und der südlich folgenden Gebäude. Die
nach Norden hin (ab Mühltal 5 absteigend) folgende Bebauung unterscheidet sich
deutlich (Größe der Grundfläche und Lage) von der Reihenbebauung im südlichen
Abschnitt. Die das Bauvorhaben prägende Umgebung endet damit beim Haus Mühltal
6; dort treffen zwei jeweils einheitlich geprägte Baugebiete unterschiedlicher
Bebauungsstruktur aufeinander (andersartige Siedlungsstruktur).
Die Gebäude der näheren Umgebung am Mühltal (Mühltal 6 aufsteigend)
liegen konsequent und einheitlich ohne Abstand unmittelbar an der Straße
„Mühltal“. Aufgrund der Durchgängigkeit und Einheitlichkeit der Standorte ist
hier (der seltene Fall) eine faktische Baulinie für die vordere Außenwand
entstanden.
Hinsichtlich der Bebauungstiefe weist der Baubestand ebenfalls eine
einheitliche bauliche Ordnung auf mit einer Bebauungstiefe von 11 - 13 Metern
zur Straßengrenze, die als faktische Baugrenze zu beachten ist.
Das bestehende Gebäude Mühltal 7 weist gemeinsam mit den beidseits
stehenden Nachbargebäuden Mühltal 6 und 8 sogar nur eine Bebauungstiefe von ca.
8 Meter auf. Ungeachtet dessen beschränkt sich die prägende Wirkung nicht auf
diese 3 Gebäude. Hier wirkt sich auch die nach Süden folgende Bebauung noch
prägend aus mit der Folge, dass der dort vorhandene Bebauungsrahmen beansprucht
werden kann.
Das in den Bauvorlagen dargestellte Hauptgebäude (dunkelrot) mit einer
Bebauungstiefe von 13,90 Meter überschreitet zwar diesen Einfügungsrahmen
geringfügig (90 cm), ohne dadurch aber die Umgebungsbebauung nachträglich in
Unordnung zu bringen. So bleibt der Hauskörper mit 13 Meter (absolutes
Gebäudemaß) innerhalb des Einfügungsrahmens. Die Überschreitung resultiert aus
dem gewählten Abstand von 0,90 Meter zur Straße, der zwar von der Baulinie
geringfügig abweicht, aber die städtebauliche Ordnung nicht negativ in
Unordnung bringt.
Anders verhält es ich beim Kellergeschoss (Untergeschoss), das um
weitere 3 Meter nach Westen und damit über die faktische Baugrenze hinausragt.
Hier entstehen sehr wohl planungsrechtlich beachtliche Spannungen. Die sehr
beengte Bebauung ist wechselseitig geprägt durch seine Einheitlichkeit. Das
gilt gerade auch für die nachbarlichen Interessen, denen diesbezüglich ein
besonderes Gewicht einzuräumen ist. Eine unkontrollierbare Vergrößerung der
Bebauungstiefe führt zu einer Störung der nachbarlichen Belange, insbesondere
der an der Südseite beengten Außenwohnbereiche und auch der Verschattung und
Besonnung der jeweils nördlich gelegenen Grundstücke. In gleicher Weise mussten
auch in der Vergangenheit verschiedene Bauwünsche auf Anbauten verworfen
werden. Wie im Regelfall und auch hier würde die Rahmenüberschreitung die
aufeinander abgestimmte Bebauung einseitig und negativ in Unordnung bringen.
Diese Gründe sind es auch, die einer Abweichung nach § 34 Abs. 3a BauGB
entgegenstehen.
Daran ändert auch nichts, dass hier nur ein eingeschossiger Anbau die
hintere Baugrenze überschreitet. Im Hinblick auf Folgevorhaben würde damit eine
Bebauungstiefe entstehen, die auch für mehrgeschossige Gebäude beansprucht
werden kann. Eine Differenzierung bzw. Abgrenzung ist hier nicht mehr möglich.
Das um 3 Meter
nach Westen vorkragende Untergeschoss (Kellergeschoss) widerspricht deshalb dem
Einfügungsgebot hinsichtlich der Bautiefe und ist unzulässig.
Hinsichtlich der seitlichen Gebäudeabstände fehlt es an einem
einheitlichen Ordnungsprinzip. Hier finden sich in der prägenden Bebauungsreihe
sowohl Gebäude mit und ohne seitlichen Grenzabstand. Eine faktische seitliche
Baugrenze ist aus der Bebauung nicht zu entnehmen.
Bauweise:
Davon ungeachtet stellt aber auch die Bauweise ein Einfügungsmerkmal dar (§ 34 Abs. 1 BauGB). Hier ist
festzustellen, dass die Gebäude entlang der Straße Mühltal sowohl in
einseitiger, als auch beidseitiger Grenzbebauung anzutreffen sind und auch in
der offenen Bauweise (beidseitiger Grenzabstand). Ein einheitlicher
Ordnungsrahmen fehlt also in der Umgebungsbebauung (regellose Bauweise). So ist
z.B. auf dem südlich angrenzenden Grundstück (Mühltal 8) eine Grenzbebauung mit
dem Hauptgebäude (Diele, Bad) und einem überdachten Freisitz (jetzt
Wintergarten) genehmigt (Baugenehmigung vom 01.08.1975, Az.: 369/75). Gleiches
beim Anwesen Mühltal 9 (Baugenehmigung vom 04.08.1966). Auch finden sich - wie
auf dem Baugrundstück selbst (Baubestand) - Gebäude mit verkürztem
Grenzabstand.
Die Umgebungsbebauung ist also geprägt von einer gemischten Bauweise, in
der sich damit auch die beantragte seitliche Grenzbebauung noch einfügt. Aus
der vorhandenen Bauweise kann auch nicht - aufgrund der Maßgeblichkeit der
„äußeren Wirkung“ - zwischen Haupt- und Nebengebäude differenziert werden.
Außerdem werden selbst Garagengebäude teilweise im Untergeschoss wieder als
Teil des Hauptgebäudes genutzt.
Eine halboffene Bauweise, wonach Hauptgebäude nur an der Nordgrenze
angebaut sind (und an der Südgrenze nur Nebengebäude) ist im Rahmen des
Einfügungsgebotes nicht ableitbar.
Diese bauplanungsrechtliche Zulässigkeit hat auch zur Folge, dass keine
Abstandsflächen einzuhalten sind (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO). Dieser vormals
von der Rechtsprechung nur im Fall einer einheitlichen Bebauung anerkannte
Vorrang des Planungsrechts gilt jetzt auch in der regellosen (diffusen)
Bauweise (vgl. u.a. BayVGH 20.10.2010). Eine früher für die Nachbarbebauung
durch Dienstbarkeit geregelte Abstandsflächenübernahme, wie sie vom Nachbar für
den früheren Grenzanbau gesichert wurde, wird damit seine Funktion verlieren
und wäre wohl unbeachtlich.
Die Tiefe der Grenzbebauung wird - auch innerhalb der faktischen
Baugrenzen - durch das Gebot der Rücksichtnahme beschränkt. Diesem Grundsatz
des nachbarlichen Ausgleichs kommt gerade in der hier vorgefundenen Situation,
der Grenzbebauung in unterschiedlicher Grundstückstiefe und in
unterschiedlichen Geschossen, entscheidende Bedeutung zu (vgl. Dohm, in Simon /
Busse, Rn. 52 zu Art. 6 BayBO).
Hinsichtlich des im Norden entstehenden Anbaus bestehen diesbezüglich
keine Bedenken, da sich hier die Bebauungstiefe auf 8 Meter auf das
Kellergeschoss (Untergeschoss) beschränkt. Er geht nicht über das bereits
vorhandene Maß der Grenzbebauung hinaus. Dagegen erhält der südliche Grenzanbau
eine Tiefe von 11,50 Meter. Aber auch hier wirkt die Bebauung in der
vorliegenden Fallgestaltung nicht rücksichtslos, da sich der zusätzliche Anbau
(5 Meter) ebenfalls nur auf das Untergeschoss beschränkt und auf dem Nachbargrundstück
ebenfalls bereits eine Grenzbebauung (überdachte Terrasse) auf gleicher Länge
(Bebauungstiefe) vorhanden ist.
Absolute Grundfläche:
Weiteres Einfügungsmerkmal ist auch die absolute Grundfläche, die bei
dem Neubau 175 m² beträgt. Die prägende Umgebungsbebauung weist durch
Hauptgebäude überbaute Grundflächen von ca. 100-110 m² auf. Selbst unter
Einrechnung der Nebengebäude (Garagen) wird eine max. Grundfläche von max. 140
m² erreicht. Der nach Norden angrenzenden Bebauung kommt aufgrund ihrer
städtebaulichen Andersartigkeit keine prägende Wirkung zu (städtebauliche
Zäsur).
Dieser Einfügungsrahmen wird durch die beantragte Bebauung deutlich
überschritten. Soweit aber der westliche Kelleranbau (Untergeschoss) entfällt,
was schon wegen der Bebauungstiefe gefordert werden muss, verbleibt eine
absolute Grundfläche von weiterhin über 160 m². Diese Überschreitung kann
angesichts der gewählten Bebauungsform mit den lediglich im Untergeschoss
überbauten Gebäudeteilen und der (nach ergänzenden Angaben) Begrünung des
Daches (südlicher Anbau) noch die Rahmenüberschreitung rechtfertigen.
Sonstige Einfügungsmerkmale:
Bei den beantragten Dachgauben handelt es sich um untergeordnete
Gebäudeteile, die für das Einfügungsgebot unbeachtlich sind. Im Übrigen
entspricht das Vorhaben dem Einfügungsgebot. Das gilt auch für die Bauhöhe, die
durch das nach Westen teilweise abfallende Gelände zu einer geringfügigen
Überschreitung der Bauhöhen der Nachbargebäude führt. Im Bereich des nach
Westen auskragenden Untergeschosses, das aber aus anderen Gründen schon
unzulässig ist, würde anderseits eine nicht mehr einfügungskonforme Bauhöhe
entstehen. Denn maßgeblich ist hier nicht die Wandhöhe des eingeschossigen
Vorbaus, sondern die nach Westen hin (ungeachtet der Staffelung) in Erscheinung
tretende Gesamthöhe.
Bauleitplanerische Maßnahmen:
Es handelt sich bei der Frage nach den Möglichkeiten der Bauleitplanung
um keine Entscheidung, die im Vorbescheidsverfahren geklärt werden kann. Die
gesetzliche Möglichkeit, bestehendes Baurecht durch das Instrument des
Bebauungsplanes zu verändern, besteht natürlich dem Grunde nach (fast) immer.
Die aufgezeigten Grenzen des Einfügungsgebotes und des Rücksichtnahmegebotes
wären aber auch in die planerische Abwägung einzustellen. Gerade in der Planung
im Bestand kommt den durch die vorhandene Bebauung vorgefundenen
Interessenausgleich eine gewichtige Bedeutung zu. Den Auswirkungen auf die
nachbarlichen Interessen kommt also gewichtige Bedeutung zu. Ein
städtebauliches Planungserfordernis ist nicht zu erkennen (§ 1 Abs. 3 BauGB)
und kann auch zur Durchsetzung von einzelnen Bebauungsinteressen nicht
begründet werden. Im Übrigen ist eine Nachverdichtung der Bebauung auch wegen
der nur sehr eingeschränkt leistungsfähigen Erschließung und der beengten
Straßenräume und Stellplatzflächen nicht zielführend.
Nachbareinwendung:
Von Seiten des südlichen Nachbarn (Mühltal 8) wurden mit Schreiben vom
15.09.2014 Einwendungen gegen den Antrag erhoben. Das Bauvorhaben wird
abgelehnt, da es eine doppelte Länge gegenüber dem Nachbarhaus
(Einwendungsführer) erreicht. Neben negativen Auswirkungen auf die Besonnung
und baukonstrukiven Bedenken wurden auch die nachteiligen Auswirkungen auf den
Charakter der dortigen Siedlung erwähnt. Das Schreiben liegt den
Ausschussmitgliedern vor.
Bei der Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen wurden die
vorgebrachten nachbarlichen Belange im Rahmen des Rücksichtnahmegebots bzw. der
Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3a BauGB berücksichtigt. Diese Belange
sind es unter anderem auch, die zur Unzulässigkeit des Untergeschoss-Anbaus
führen.
Zwar liegt das beantragte Bauvorhaben im Norden zum Grundstück des
Einwendungsführers, was die erwähnte Beschattungswirkung etwas relativiert. Für
die Zulassungsentscheidung (städtebauliche Folgen einer Rahmenüberschreitung)
war aber vor allem auch die Vorbildwirkung für Folgevorhaben zu beachten, die
dann auch zur teilweisen Verweigerung des Einvernehmens
(Untergeschoss-Haupthaus) führen. Über diesen Gebäudeteil hinaus sind aber
geschützte Nachbarbelange nicht nachteilig betroffen (Rücksichtnahmegebot). So
ist etwa eine bedrängende oder erdrückende Bebauung nicht zu erkennen. Vor
baulich-konstruktiven Nachteilen (Bauschäden, Belästigung durch Laub etc.)
schützen das Einfügungsgebot und das darin ohnehin zu prüfende
Rücksichtnahmegebot nicht.
Bei der Beurteilung wurde unterstellt, dass in dem Gebäude 1 Wohneinheit
entsteht.
Das Schreiben wurde dem Landratsamt Ebersberg zur Berücksichtigung nach
Art. 68 Abs. 2 BayBO vorgelegt.
Nach Vorstellung
der geplanten Baumaßnahme beschloss der Bau-, Werk- und Umweltausschuss
einstimmig, dem Antrag auf Vorbescheid zum Abbruch und Neubau eines Wohnhauses
mit Garage auf dem Grundstück Fl.Nr. 897/3 der Gemarkung Öxing, Mühltal 7, das
gemeindliche Einvernehmen unter der Maßgabe zu erteilen, dass das nach Westen
hin um 3 Meter auskragende Untergeschoss entfällt.
Herr Einhellig
Christian, Ausschussmitglied, hat gemäß Art. 49 Abs. 1 Satz 1 GO als
Planfertiger an der Beratung und Abstimmung nicht mitgewirkt.